WARUM UMSETZUNGSHINDERNISSE SO PROBLEMATISCH SIND
BGM-Wissen | 25.08.2021
Isabella Uenning (Projektleitung Betriebliches Gesundheitsmanagement, MOOVE GmbH)
„Health is a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity“ (World Health Organization [WHO], 1948, S. 100).
Dieser Gesundheitsbegriff ist für die (Betriebliche) Gesundheitsförderung (BGF) und das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) richtungsweisend. Wir setzen unsere Energie in die umfassende Gesunderhaltung und Erhaltung bzw. Steigerung des Wohlbefindens. Im Krankenhaus liegt der Schwerpunkt im Kontext Gesundheit auf der Kuration und Lebenszeitverlängerung. In diesem Kontext immer wieder die Vogelperspektive einzunehmen, um sich selbst und das eigene Wohlbefinden zu sorgen, fällt oft schwer.
Dabei sind gerade die Beschäftigten in deutschen Krankenhäusern durch mannigfaltige Aspekte besonders gefordert. Das ist nicht nur im vergangenen Jahr mehr als eindrücklich geworden.
DIE BEDEUTUNG DER KRANKENHÄUSER
In vielen Krankenhäuser sind die Beschäftigten durch globale Entwicklungen wie den demografischen Wandel, Digitalisierung und strukturelle Herausforderungen in Deutschland beeinträchtigt. Viele Häuser sehen sich mit einem Fachkräftemangel, zunehmenden Patientenzahlen und Multimorbiditäten dieser sowie teils belastenden Arbeitsanforderungen konfrontiert. Insbesondere das pflegerische und ärztliche Personal ist im Rahmen des rund um die Uhr Versorgungsauftrags in der Gestaltung ihrer Arbeit und ihrer Arbeitsbedingungen stark eingeschränkt. Diese Aspekte machen es besonders wichtig, dass die Beschäftigten gut und gesund ihre Arbeit erledigen können.
BELASTUNGEN DER BESCHÄFTIGTEN
Die Tätigkeit, v.a. in den medizinischen Bereichen im Krankenhaus bietet hohe Belastungspotenziale. Im Bereich der Arbeitsorganisation zählen zu den besonderen Belastungen des medizinischen Personals Wochenend-, Schicht-, und Nachtarbeit, Überstunden, schwer planbares Arbeitsvolumen, Arbeitsunterbrechungen sowie Notdienste und kurzfristiges Einspringen. Die Arbeitsinhalte sind insbesondere durch Aspekte wie den Umgang mit (schwierigen) Patient:innen (-schicksalen), tägliche Konfrontation mit Leid, Krankheit und Tod sowie die damit verbundene (Entscheidungs-) Verantwortung geprägt. Als emotionale Belastungen lassen sich im Pflegebereich widersprüchliche Aufgaben benennen, wie den Pflegeauftrag erfüllen zu sollen, aber kaum die Möglichkeit für Gespräche zu haben. Darüber hinaus ist im Bereich der sozialen Beziehungen die (Zusammen-)Arbeit durch Führungsdefizite, defizitäre Kommunikationsstrukturen und durch viel inoffizielle Kommunikation geprägt. So ist es nicht verwunderlich, dass Burnout sowohl bei Pflegepersonal als auch Ärzt:innen eine hohe Verbereitung hat. Dies stellt nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die Einrichtungen vor große Herausforderungen, weshalb es gilt, diese Belastungen zu reduzieren. Auch die physischen Belastungen sind weiterhin nicht marginal. Die meisten Arbeitsunfähigkeitsfälle (AU-Fälle) im Krankenhaus sind auf Atemwegserkrankungen (23,9 %), Muskel-Skelett-Erkrankungen (13,5 %) und Erkrankungen der Verdauungsorgane (7,8 %) zurückzuführen (AOK Fehlzeitenreport 2020). Gerade die Belastungen des Muskel-Skelett-Apparates werden durch die Pflege, z. B. Lagerung der Patient:innen sowie das häufig schwere Heben, Tragen oder Stemmen zurückgeführt. Zudem sind sie durch die ständige Arbeit im Stehen und in Zwangshaltungen belastet.
VERBREITUNG VON BGM IM KRANKENHAUS
Bei Betrachtung der bestehenden Belastungen und daraus resultierenden psychischen und physischen Beanspruchungen der Beschäftigten drängt sich demnach die Frage auf, wie die Arbeit gesundheitsförderlicher gestaltet werden kann. In Deutschland sind Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) und Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) zunehmend verbreitet und wirksam. Die Verbreitung im Gesundheitswesen und auch im Krankenhaus weist jedoch noch deutliche Lücken auf, weshalb Potenziale und Möglichkeiten für die Beschäftigten noch nicht vollständig ausgeschöpft werden. Dem Netz gesundheitsfördernder Krankenhäuser haben sich bisher erst wenige Einrichtungen angeschlossen. Auf ihrer Website verzeichnen sie 2020 lediglich 14 aktive (öffentliche) Mitglieder. Repräsentative Studienergebnisse des Deutschen Krankenhausinstitutes zeigen ein etwas positiveres Bild von einer flächendeckenden Umsetzung von Gesundheitsförderungs- und BGM-Angeboten. So gaben laut den Befragungsergebnissen 67,0 % der befragten Krankenhäuser an, Gesundheitsförderung der Beschäftigten in ihren Werten und Unternehmensleitbildern verankert zu haben und 39,0 % standardmäßig regelmäßige Maßnahmen anzubieten.
Bei dieser Verbreitung und eigentlich einem besonderen Bedarf für Gesundheitsförderung stellt sich die Frage, welche Umsetzungshindernisse für das BGM im Krankenhaus in Deutschland bestehen. Dem sind wir etwas näher auf den Grund gegangen.
WARUM IST BGM IM KRANKENHAUS SO SCHWER?
Die Verbreitung und Umsetzung von BGM und BGF ist, durch verschiedene Hindernisse und Barrieren beeinträchtigt. Zu diesen zählen strukturelle und Kontextfaktoren, organisationsbezogene Barrieren, angebots- und maßnahmenspezifische Umsetzungshindernisse sowie persönliche Hinderungsgründe. Diese können in der Unternehmenskultur entweder förderlich oder hinderlich ausgeprägt sein.

Werden deutsche Wirtschaftsunternehmen zu Hürden für die Einführung eines BGM befragt, geben sie folgende Barrieren an: Tagesgeschäft hat Vorrang (88,0 %), fehlende Ressourcen (76,0 %), fehlende Motivation der Belegschaft (52,0 %), kein persönliches Engagement vorhanden (51,0 %), zu hohe Kosten (48,0 %), Widerstände seitens der Führungskräfte (32,0 %), Zweifel am Nutzen (28,0 %), fehlendes Wissen über Anbieter (27,0 %), zu wenig Informationen über BGM (22,0 %) oder schlechte Vorerfahrungen (10,0 %) (Bechmann, Jäckle, Lück & Herdegen, 2011, S. 22). Im Krankenhaus bestehen zudem wirtschaftliche Hemmnisse durch Kostendruck, politische Hürden und Einflussnahme sowie in strukturellen und organisatorischen Aspekten. Hierzu zählen bspw. der Fachkräftemangel oder hohe Teilzeitbeschäftigungsquoten. Auch vor soziodemografischen Herausforderungen sind Krankenhäuser nicht ausreichend geschützt. Zudem steht ethisch gesehen immer der Versorgungsauftrag der Patient:innen an erster Stelle. Aktuelle Studienergebnisse zeigen zudem, dass organisationsspezifische Faktoren wie die Unternehmenskultur, Misstrauen, schlechte Führung, unzureichende Kommunikation und fehlende Integration von BGM und BGF im Alltag starke Hindernisse für ein effektives BGM sind. Darüber hinaus spielt die Gestaltung von Angeboten und Maßnahmen oftmals eine große Rolle, da sie verbesserungsbedürftig sind und nicht den Anforderungen und Befürfnissen der Beschäftigten entsprechen. Zudem ist die Priorisierung der eigenen Gesundheit bei Krankenhausbeschäftigten aus arbeitbedingten, aber auch intrapersonellen Gründen geringer ausgeprägt und somit auch die Wahrnehmung von BGM und BGF.
Diese Barrieren und Umsetzungshindernisse sind für deutsche Krankenhäuser teils schwer zu beeinflussen. Organisations-und maßnahmenspezifische sowie individuelle Barrieren können jedoch durch eine Weiterentwicklung und gezielte Ausrichtung von BGM-Strukturen überwunden werden.
Mit einer stärkeren Zielgruppenspezifikation und gezielter Information und Kommunikation in den Einrichtungen können bei richtiger Planung und Umsetzung bereits vielfältige Barrieren überwunden werden. Dazu ist es jedoch essenziell, dass es validierte und leicht anwendbare Tools für die BGM-Beauftragten in den Krankenhäusern gibt, die es ermöglichen, gezielt und ressourcenschonend Bedarfe sowie Barrieren zu ermitteln. Das macht die BGF wirksamer und schont gleichzeitig Ressourcen.
Sie wollen mehr zu den Umsetzungshindernissen von BGM und BGF erfahren und suchen nach einem starken Partner, der Sie bei der Überwindung dieser unterstützt?
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LITERATUR
Bechmann, S., Jäckle, R., Lück, P. & Herdegen, R. (2011). Motive und Hemmnisse für Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM). Umfrage und Empfehlungen, 2. aktualisierte Auflage, [online] https://www.uk-nord.de/fileadmin/user_upload/images/2_praevention_arbeitsschutz/iga-Report_20_Motive.pdf
Beck, D. & Lenhardt, U. (2016). Betriebliche Gesundheitsförderung in Deutschland: Verbreitung und Inanspruchnahme. Ergebnisse der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragungen 2006 und 2012. Das Gesundheitswesen, 78 (1), 56-62.
Meyer, M., Wiegand, S. & Schenkel, A. (2020). Krankheitsbedingte Fehlzeiten nach Branchen im Jahr 2019. In Badura, B., Ducki, A. & Schröder, H. (Hrsg.), Fehlzeiten-Report 2020. Gerechtigkeit und Gesundheit. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag, S. 445-672.
World Health Organization (Hrsg.). (1948). Official Records of the World Health Organization No. 2. Summary report on proceedings minutes and final act of the international health conference. New York: United Nations.
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